Leitsysteme sind ein zentrales Element zur Steuerung kritischer Infrastrukturen, insbesondere von Energieversorgungssystemen. Sie sind historisch gewachsen, monolithisch, proprietär und in der Regel „archaisch“ in ihrem Aussehen sowie der Handhabung und erfordern große Expertise des Bedienpersonals mit langen Qualifizierungswegen.
All dies ist problematisch, aufgrund zahlreicher Herausforderungen durch die Energiewende. Die dezentrale Erzeugung durch Klein- und Kleinstanlagen auch auf niedrigeren Spannungsebenen führt zu einem enormen Komplexitätszuwachs. Hinzu kommt der steigende Bedarf nach einer Kopplung sowohl unterschiedlicher Energiesektoren als auch, damit verbunden, von IT-Systemen im Hintergrund. Diese Faktoren machen wiederum eine Hochautomatisierung und die Einführung neuer Betriebsführungsansätze, insbesondere innovative und ggf. KI-basierte Lösungen, notwendig. Entsprechend gibt es unter Netzbetreibern das Bestreben, Leitsysteme zu harmonisieren und zu koppeln, um die Effizienz zu steigern und die Möglichkeit zu eröffnen den Netzbetrieb für andere, meist kleine Netzbetreiber, zu definierten Zeiten (bspw. Nachtbetrieb) zu übernehmen. Dies erhöht jedoch ebenfalls die Komplexität für das Betriebspersonal, das bereits mit zunehmenden kritischen Netzzuständen sowie steigenden Bedrohungen durch Cyber-Angriffe konfrontiert wird.
Die historisch gewachsenen Leitsysteme stoßen nach innen sowie nach außen an ihre Grenzen. So ergeben sich aufgrund veralteter Softwaretechnologien und -konzepte natürliche Leistungsgrenzen, u.a. bzgl. Echtzeitfähigkeit, sowie der Erweiter- und Wartbarkeit. Auch beim Thema IT-Sicherheit stoßen die Leitsysteme an ihre Grenzen, da IT-Sicherheit bei der Entwicklung noch nicht im Fokus war und entsprechend umständlich realisiert werden muss. Die von den Netzbetreibern angestrebte Harmonisierung und Kopplung von Leitsystemen wird durch den Vendor Lock-In weitgehend bis vollständig unmöglich gemacht; gleiches gilt für Erweiterungen von Leitsystemen um Funktionalitäten durch Dritte.
Des Weiteren steht die benötigte Expertise zur Bedienung der Leitsysteme einem Fachkräftemangel gegenüber, der durch die Verwendung veralteter Softwarekonzepte noch vergrößert wird. Heute ausgebildete Fachkräfte werden an modernen Software- und Interaktionskonzepten geschult. Entsprechend ist die Arbeit mit veralteter und in der Mensch-Maschine-Interaktion archaisch wirkender Software nicht intuitiv und am Arbeitsmarkt nicht reizvoll.
Zusammenfassend lassen sich insbesondere die Herausforderungen durch die Energiewende umso schwerer mit den aktuellen, antiquierten Leitsystemen meistern.
Ein weiteres wesentliches Merkmal von NextGen Grid Control ist die Möglichkeit einer ganzheitlichen Modellierung von (gekoppelten) Energie- und IKT-Systemen. Denn insbesondere deren Wechselwirkungen werden für den resilienten Netzbetrieb essentiell sein. Die zunehmende Interaktion zwischen dem Leitsystem und externen Akteuren und Anlagen erfordert darüber hinaus Interoperabilität als ein zentrales Ziel, um Prozesse sowie Applikationen Dritter an das Leitsystem anknüpfen zu können. Konkret sind hierfür definierte Schnittstellen erforderlich, die die Grundlage für einen modularen Austausch und Erweiterbarkeit schaffen.
Wesentliche technologische Aspekte, die NextGen Grid Control zukunftssicher gestalten, sind dabei die Verwendung von digitalen Zwillingen und einer ereignisgetriebenen Datenstromverarbeitung. Das Konzept von digitalen Zwillingen eignet sich insofern, als dass es über, potentiell hierarchisch bzw. geschachtelte, digitale Abbilder hinausgeht und eine automatisierte Anpassung der physischen Infrastruktur auf Basis von Änderungen im digitalen Zwilling vorsieht. Abbildung und Veränderung der physischen Infrastruktur sollen dabei möglichst in Echtzeit geschehen. Diese Echtzeitfähigkeit wird durch den Einsatz von Datenstromverarbeitung realisiert, die es ermöglicht, ereignisgetrieben Daten zu verarbeiten, zu analysieren und darzustellen.
Die Gruppe ROC fokussiert dabei – ohne darauf limitiert zu sein – die folgenden Forschungsfragen:
E-Mail: Michael.Brand(at)offis.de, Telefon: +49 441 9722-144, Raum: E84a
Michael Brand, Anand Narayan, Sebastian Lehnhoff; April / 2024
Anand Narayan, Michael Brand, Nils Huxoll, Batoul Hage Hassan, Sebastian Lehnhoff ; March / 2024
AMIT KUMAR SINGH, JELKE WIBBEKE, AMIN RAEISZADEH, NILS HUXOLL, MICHAEL BRAND; DACH+ Conference on Energy Informatics 2024; October / 2024
Anand Narayan; July / 2024
Michael Brand; December / 2023
Brand, Michael and Engel, Dominik and Lehnhoff, Sebastian; Energy Informatics; 2023
Payam Teimourzadeh Baboli, Amin Raeiszadeh, Michael Brand, and Sebastian Lehnhoff; DACH+ Conference on Energy Informatics, Vienna, Austria; 2023
Klaes, Marcel and Zwartscholten, Jannik and Narayan, Anand and Lehnhoff, Sebastian and Rehtanz, Christian; IEEE Access; 2023
Loeffler, Dominik; Abstracts of the 12th DACH+ Conference on Energy Informatics 2023; October / 2023
Hage Hassan, Batoul and Brand, Michael and Lehnhoff, Sebastian; Abstracts of the 12th DACH+ Conference on Energy Informatics; 2023