Die neue Kollegin Ameca lächelt, macht Witze, führt Gespräche und vor allem hilft sie auf der Pflegestation, wo sie nur kann: Patientinnen und Patienten umlagern, aus dem Rollstuhl heben oder ins Bad begleiten. Gerade jetzt, wo die Zahl der Alten und Kranken besonders hoch ist und Pflegekräfte fehlen, ist sie eine große Hilfe. Außerdem wird sie nie müde oder kraftlos, ist immer motiviert und schlafen muss sie – oder er, oder es? - auch nicht. Denn Ameca ist ein Roboter.
Was nach Zukunftsmusik klingen mag, könnte in den kommenden Jahren tatsächlich in Pflegeheimen und Krankenhäusern an der Tagesordnung sein – Roboter als Pflegeassistenzen.
Ameca selbst ist zumindest keine Zukunftsvision, es gibt ihn wirklich. Der humanoide Roboter wird bei OFFIS im Forschungsbereich Gesundheit eingesetzt – und fasziniert mit seinen menschenähnlichen Gesichtsausdrücken. Er kann nicht nur Gesten, sondern auch Mimik realistisch nachahmen. Eine implementierte KI ermöglicht es zudem, echte Gespräche mit Ameca zu führen.
Robotik und KI als unterstützende Faktoren in der Pflege
In Zusammenarbeit mit der Universität Oldenburg erarbeitet OFFIS bereits seit vielen Jahren, wie Robotik und KI-Anwendungen in der Pflege eingesetzt werden können, um Pflegekräfte zu unterstützen.
Heutzutage fehlen in Deutschland rund 200.000 Pflegekräfte – Tendenz steigend. 2035 sollen schon fast eine halbe Million Fachkräfte in der Pflege fehlen, schätzt das Institut für Deutsche Wirtschaft. Gleichzeitig steigt die Zahl der Pflegebedürftigen weiter an.
KI-Anwendungen und Robotik können das Problem des Fachkräftemangels nicht lösen. Sie können aber das Pflegepersonal entlasten, einen Mehrwert schaffen. Viel zu oft müssen Pflegekräfte Tätigkeiten übernehmen, die mit der eigentlichen Pflege nichts zu tun haben. Allein für die Dokumentation benötigen Pflegekräfte bis zu 50 Prozent ihrer Arbeitszeit.
Eine KI-gestützte sprachgesteuerte Dokumentation kann hier deutlich Zeit einsparen. Weitere Einsatzgebiete der KI zur Unterstützung der Pflege sind beispielsweise Präventionssysteme, um Stürze zu vermeiden, intelligente Rollatoren und Pflegebetten sowie Exoskelette. Durch diese Entlastung des Pflegepersonals hat dieses wieder mehr Zeit für den direkten Kontakt, die direkte Interaktion mit den Patient*innen.
Gerade bei kräftezehrenden Aufgaben, wie dem Umlagern, ist mechanische Unterstützung gefragt. Denn normalerweise sind für eine Umlagerung zwei Personen nötig. Mit dem voranschreitenden Personalmangel wird das aber immer schwieriger zu realisieren sein.
Die OFFIS-Forschenden haben daher zunächst Roboterarme entwickelt, die bei der Umlagerung unterstützen können. Das Problem: Sowohl die Patient*innen als auch die Pflegekräfte hatten Schwierigkeiten, mit den Roboterarmen zu interagieren. Es entstand nie der Eindruck, dass tatsächlich eine zweite Pflegekraft unterstützt.
Daher kam auch Ameca ins Spiel, eine vermenschlichte Roboterversion. Die Wissenschaftler*innen wollen nun beobachten, wie Ameca eingesetzt werden kann. Können die Patient*innen und Pflegekräfte gut mit dem Roboterinteragieren? Welche Risiken entstehen? Wie reagiert der Roboter auf Gesten und Sprache im Arbeitsumfeld?
Mittelfristig soll der Roboter nicht nur das Umlagern, sondern auch leichte Aufgaben ohne die Anwesenheit einer anderen Pflegekraft übernehmen können, zum Beispiel das Essen oder das Wasserglas reichen. Jede noch so kleine Aufgabe, die ein Roboter übernehmen kann, entlastet das Personal und schenkt den Patient*innen ein Stück mehr Autonomie. Mit intelligenten Assistenztechnologien können Pflegebedürftige selbstständiger Leben, da sie nicht jedesmal eine Pflegekraft rufen müssen, zum Beispiel wenn sie etwas trinken möchten.
KI und Robotik vermehrt in die Ausbildung von Pflegekräften und Ärzt*innen einfließen lassen
KI und Robotik sollen auch vermehrt in der Ausbildung von Pflegekräften und Ärzt*innen eingesetzt werden, diese verbessern. So existiert bereits etwa ein Delir-Training mit einer Roboter-Patientin. Auch VR-Schulungen sollen zunehmend umgesetzt werden.
Um die Interaktion und die Praxistauglichkeit der Robotik weiter intensiv zu untersuchen, soll im Rahmen des Pflegeinnovationszentrums (PIZ) am OFFIS eine Laborumgebung geschaffen werden, in der für verschiedene Pflegesettings passende Technologien und die Interaktion mit ihnen getestet und optimiert werden kann. Die zentrale Frage ist auch hier: Wie können Robotiklösungen gestaltet werden, damit sie einen Mehrwert für die Pflege haben?
OFFIS legt im Bereich Gesundheit bei all seinen Projekten großen Wert auf die interdisziplinäre Arbeit. Informatiker*innen arbeiten Seite an Seite mit Sozialwissenschaftler*innen und Ethiker*innen – ein Gewinn für das gesamte Team. Denn klar ist: Es müssen nicht nur technische Fragen geklärt werden, sondern auch rechtliche, soziale und ethische Fragen.
Das Wichtigste ist, die Patient*innen und das Pflegepersonal aktiv einzubeziehen und die KI-Anwendungen und Robotik-Lösungen ausgiebig zu testen – darauf legt OFFIS großen Wert. Wie reagieren die Patient*innen auf die Roboter? Wie funktioniert die Zusammenarbeit? Gibt es Skepsis, Ängste? All das muss ernst genommen werden.
Werden Roboter Pflegekräfte in Zukunft ersetzen? Nein – und das sollen sie auch nicht. Sie sind Pflegeassistenten, stärken die Autonomie der Patient*innen. Und vielleicht wird durch die Arbeitsentlastung auch der Beruf der Pflegekräfte wieder attraktiver.
Notice: Ameca was designed and built by Engineered Arts Ltd
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