Menschen mit Behinderungen sind im freien Arbeitsmarkt noch immer stark unterrepräsentiert. Die Ausübung eines Jobs ist jedoch nicht nur für das Selbstwertgefühl und die eigene finanzielle Unabhängigkeit essenziell, sondern schafft auf vielen sozialen Ebenen einen persönlichen Mehrwert. Gerade der Übergang zur „Industrie 4.0“ könnte die Inklusion von Menschen mit geistigen und/oder körperlichen Behinderungen zusätzlich erschweren.
Durch die voranschreitende Individualisierung der Produktion wird es immer wichtiger, flexibel neue Aufgaben erlernen zu können. Welche Unterstützungsmöglichkeiten kollaborierende Roboter – also Roboter, die ohne Schutzzaun mit dem Menschen zusammenarbeiten können – in diesem Zusammenhang bieten, untersucht derzeit die OFFIS Wissenschaftlerin Sandra Drolshagen (Forschungsbereich Produktion) im Rahmen ihrer Dissertation.
Hierzu wurde ein robotisches Assistenzsystem entwickelt, welches über eine Tiefenkamera die aktuellen Arbeitsschritte des Menschen erfasst und durch den Roboter verschiedene Hinweise gibt, sobald ein Fehler detektiert wurde. Die Hinweise variieren von einem einfachen Winken des Roboterarms über verschiedene Zeigegesten bis hin zum „Vormachen“ der Aufgabe durch den Roboter oder dem Hinzuziehen eines Betreuers oder einer Betreuerin. Auch Sprachhinweise wurden dem Assistenzsystem in einem zweiten Schritt hinzugefügt. Welche Assistenzen zu welchem Zeitpunkt ausgeführt werden, entscheidet das Assistenzsystem für jeden Menschen individuell.
In zwei aufeinanderfolgenden Studien, die in den Gemeinnützigen Werkstätten Oldenburg durchgeführt wurden, wurde das Assistenzsystem getestet und bewertet. Anschließend wurden auch die Langzeiteffekte untersucht. Erste Ergebnisse zeigen, dass die Teilnehmenden signifikant mehr Bauteile korrekt platzieren konnten, wenn sie durch das System unterstützt wurden. Einige der Teilnehmenden konnten sogar erst durch die Unterstützung des Assistenzsystems ihre Aufgabe korrekt bewältigen. Zudem deuten verschiedene, an den Roboter gerichtete Äußerungen darauf hin, dass er als Tutor wahrgenommen wurde. So wurde er als Freund bezeichnet oder gefragt, was der Fehler sei. Insgesamt wurde die Zusammenarbeit mit dem Roboter als sehr positiv empfunden.
Auch langfristige Lerneffekte konnten während des zweiten Studienteils, in dem die Teilnehmenden über mehrere Wochen begleitet wurden, beobachtet werden. Hierbei haben nicht nur die Menschen ihre Fähigkeiten weiterentwickelt – auch der KI gestützte Roboter konnte seine Assistenzen den individuellen Bedürfnissen der Nutzer*innen anpassen.
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