Im Zuge der notwendigen Transformation des Energiesystems werden zunehmend dezentrale Verbrauchs- und Erzeugungsanlagen sowie Batteriespeichersysteme in das Stromsystem integriert werden. Damit steigt der Bedarf, diese Anlagen auch für netzstabilisierende Maßnahmen zu nutzen. Eine dieser Maßnahmen ist das so genannte Redispatch, in dessen Rahmen zuvor geplante Einspeisungen und Verbräuche umgeplant werden, um eine Überlastung von Leitungen und Transformatoren zu vermeiden. Im aktuellen Redispatch 2.0-Regime werden Klein- und Kleinstanlagen in den Verteilnetzen noch nicht berücksichtigt.
Eine Möglichkeit, diese Anlagen einzubeziehen, ist ein marktbasierter Redispatch, bei dem die Netzbetreiber ihren Redispatch-Bedarf auf einem dedizierten Markt beschaffen. Dieser Ansatz zielt darauf ab, die Redispatch-Kosten zu minimieren und gleichzeitig die Skalierbarkeit zu verbessern, da die Netzbetreiber nicht die Kontrolle über alle Anlagen direkt übernehmen müssen. Darüber hinaus bietet er die Möglichkeit, dass Aggregatoren kleine Anlagen gebündelt in einen solchen Markt einbringen und so zusätzlich von den Vorteilen von Pooling-Effekten profitieren.
In dem Projekt "Dezentraler Redispatch (DEER): Schnittstellen zur Flexibilitätsbereitstellung" werden Lösungen zur Integration dezentraler Anlagen in den übergeordneten marktbasierten Redispatch-Prozess untersucht. Ein Schwerpunkt ist die Modellierung der Flexibilität von Kleinstanlagen. Diese Anlagen haben nicht nur unterschiedliche technische Randbedingungen, sondern müssen auch verschiedensten Anforderungen genügen, die sich aus ihrer eigentlichen Nutzung ergeben. So muss beispielsweise ein Elektroauto rechtzeitig aufgeladen werden und eine Wärmepumpe muss den geforderten Temperaturbereich einhalten. Die Flexibilität muss also die verbleibenden Freiheitsgrade anlagenspezifisch abbilden. Gleichzeitig müssen die Flexibilitäten eines Pools von Anlagen so aggregierbar sein, dass sie gemeinsam auf einem Redispatch-Markt vermarktet werden können und sich daraus anlagenspezifische Verpflichtungen ableiten lassen.
Ein weiterer Untersuchungsgegenstand des Projekts DEER, ist wie nach der Vermarktung der Redispatchpotentiale der Kleinstanlagen die Nachweisführung umgesetzt werden kann. Netzbetreiber müssen überprüfen können, ob Anlagen ihren Verpflichtungen aus der Vermarktung nachkommen.
Um größtmöglichen Projektnutzen zu generieren und die Ergebnisse bestmöglich auch über das Projekt hinaus verwerten zu können, werden die Ergebnisse zu Daten- und Prozessmodellen sowie der zugehörigen Schnittstellen in technische Regeln (VDE SPEC, VDE-AR) überführt und Normvorschläge erstellt.
Im Sinne der Skalierbarkeit und Robustheit sollte auch die Steuerung, Vermarktung und Nachweisführung der dezentralen Anlagen durch ein möglichst dezentrales System erfolgen. Für die Berechnung der Anlagenflexibilität, deren Aggregation und die anschließende Disaggregation wird ein Multiagentensystem eingesetzt. Dabei wird jede Anlage mit einem intelligenten Agenten ausgestattet, der die Einschränkungen und Anforderungen seiner Anlage kennt und dementsprechend die Flexibilität für den Redispatch "on the Edge" bestimmt. Nach der Aggregation und Vermarktung der gepoolten Flexibilität kann die Disaggregation, d.h. die Aufteilung der gepoolten Redispatch-Verpflichtungen auf einzelne Anlagen, ebenfalls entweder in der Cloud oder durch die Agenten "on the Edge" erfolgen. Darüber hinaus werden selbstsouveräne (Maschinen-)Identitäten und Zero-Knowledge-Proofs eingesetzt, um eine anlagenspezifische und robuste Nachweisführung und Abrechnung zu gewährleisten.
Körner, Marc-Fabian and Nolting, Lars and Heeß, Paula and Schick, Leo and Lautenschlager, Jonathan and Zwede, Till and Ehaus, Marvin and Wiedemann, Stefanie and Babel, Matthias and Radtke, Malin; 2024