Durch gesellschaftliche Veränderungen und insbesondere den demografischen Wandel stehen Handwerksbetriebe vielfältigen Herausforderungen gegenüber.
Gesundes Arbeiten wird dabei vor allem für ältere Beschäftigte in körperlich fordernden Arbeitsbedingungen zur Herausforderung. Die Nachhaltigkeit von Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit ihrer Fachkräfte wird aber auch für die Betriebe immer wichtiger. Zu den körperlichen Anforderungen zählen vor allem das Arbeiten in Zwangshaltungen, das Heben und Tragen schwerer Lasten sowie – wortwörtlich Handwerk - die Arbeit mit den Händen.
Die Generation, für die Smartphone und Internet große Teile ihres Alltags bestimmen, erwartet, dass sie in ihrem Arbeits- und Ausbildungsalltag moderne digitale Technologien wiederfinden. Gleichzeitig lässt die Bereitschaft zur Übernahme körperlich belastender Arbeiten nach – der Beruf des Handwerkers in seiner aktuellen Form ist schlicht nicht "in".
Nur mit guter Qualifikation der Beschäftigten sind Handwerksunternehmen in der Lage, eine qualitativ hochwertige Leistung zu schaffen. Es ist nicht die standardisierte Massenproduktion wie bspw. in der Industrie, sondern die Herstellung von angepassten Lösungen und individuellen Dienstleistungen, die große Teile der Handwerksarbeit kennzeichnet. Der Altersdurchschnitt der bestehenden Mitarbeiter*innen – auch durch die Erhöhung des Renteneintrittsalters – steigt währenddessen stetig an. Der Fehlzeitenreport der HKK weist für das Jahr 2019 im Handwerk Baugewerbe einen Krankenstand von 4,4 % aus.
Im Rahmen dieses Forschungshaben zielen die Projektpartner darauf ab, nachhaltig den Abbau von physischen Fehlbelastungen mittels Exoskeletten zu untersuchen und die Verbindung aus Menschen und Technik zu ermöglichen, ohne den Menschen zu ersetzen. Das Ergebnis sollte daher nahezu für alle körperlich anspruchsvollen handwerklichen Berufe anwendbar und damit skalierbar sein. Dies gilt insbesondere für die sensorgesteuerte Analyse der Bewegungsdaten, mit deren Hilfe proaktiv Fehlhaltungen und belastende Bewegungen des Menschen identifiziert und vermieden werden. Neben einer möglichen Verringerung von Erkrankungen und Belastungen des Muskel-/Skelettsystems sollen auch die psychischen und sozialen Aspekte für die Akzeptanz und Tragekomfort erfasst und für zukünftige Anwendungen ausgewertet und ggf. verbessert werden. Dabei geht es insbesondere um die Frage, ob die Nutzung solcher Systeme die Arbeit der Beschäftigten erleichtert und welche Nutzungsvoraussetzungen aus Beschäftigtensicht von Bedeutung sind. Hierfür sollen in einer T0 und T1-Erhebung Kriterien entwickelt werden.
Über die Nutzbarkeit und Akzeptanz der Exoskelette hinaus ist die operative Einsetzbarkeit von großem Belang. Ein digitales Planungswerkzeug soll die Betriebe unterstützen, die vorhandenen Exoskelettsysteme einfach und in Konzepten des betrieblichen Gesundheitsmanagements fundiert einzusetzen. Hierzu werden mehrere Exoskelettsysteme in ihren Unterstützungskapazitäten erfasst, um eine breitere Basis für dieses Werkzeug zu bieten.
Die einzelnen Handwerksbetriebe sind derweilen allein nicht in der Lage, diese Herausforderungen individuell zu lösen – die Komplexität des Themas, die Abhängigkeit von Technologien, das mangelnde Know-how, sowie Kosten / Investitionsbedarfe stehen in Konkurrenz zu Vollauslastung der Betriebe. Dies ist existenzbedrohend für das deutsche Handwerk. Dieser Problematik möchte dieses Forschungsvorhaben gerecht werden.
Cray-X von German Bionic Systems und andere Exoskelettsysteme (Ottobock, Laevo, Tilta, Comau, etc).
Pedro Arizpe-Gómez and Kirsten Harms and Kathrin Janitzky and Karsten Witt and Andreas Hein; Biomedical Signal Processing and Control; 2024