Kinder im Alter von 6 bis ca. 10 Jahren werden von ihren Eltern an das Fahrradfahren und an die Regeln des Straßenverkehrs herangeführt. In dieser Zeit nehmen sie in der Regel noch nicht komplett eigenständig am Straßenverkehr mit dem Rad teil: sie werden meist von Erwachsenen begleitet und können bzw. müssen den Gehweg nutzen. Für Kinder ab etwa zehn Jahren, also ab der Sekundarstufe I erweitern sich nicht nur die Entfernungen, die mit dem Fahrrad zurückgelegt werden, sondern es erhöht sich auch die Unabhängigkeit von den Eltern, d.h. Kinder fahren zunehmend autonom ohne Begleitung der Eltern entweder in Gruppen oder alleine mit dem Fahrrad. In dieser Zeit spielt das Fahrrad eine enorm wichtige Rolle für die eigenständige Mobilität und Bewegung und ist deswegen auch besonders weit verbreitet. Es vergrößert den Mobilitätsradius der Kinder und ist ihre Eintrittskarte in die „große weite Welt“ ihres Wohnorts oder Stadtteils. Allerdings sind fahrradfahrende Kinder gleich im doppelten Sinne sog. „schwächere“ Verkehrsteilnehmer. Zum einen sind sie hinsichtlich ihres körperlich-motorischen, emotional-motivationalen, sozialen und kognitiven Entwicklungsstandes noch nicht voll ausgereift, zum anderen sind sie – verglichen mit Pkw-Insassen – relativ ungeschützt im Straßenverkehr unterwegs. Die amtliche Verkehrsunfallstatistik weist insbesondere unter 10- bis 14-Jährigen hohe Anteile von als Radfahrer verunfallten Kindern aus. Ursache für diese Unfälle ist häufig Fehlverhalten im Straßenverkehr, z.B. falsche Straßenbenutzung, falsches Verhalten beim Abbiegen oder die Nichtbeachtung von Vorfahrtsregelungen. Daraus lässt sich schließen, dass die fehlende Begleitung von Erwachsenen, die Hinweise auf korrektes Verhalten geben und Gefahrensituationen besser einschätzen und vermitteln können, sich negativ auf die Verkehrssicherheit der Kinder auswirkt. Laut Auswertungen des EU Projektes Bike Pal passieren meisten Unfälle von Radfahrern im städtischen Umfeld und in 47% aller Unfälle sind Autofahrer dabei involviert.
Im Rahmen dieses Projektes soll ein modulares Assistenzsystem für Kinder entwickelt werden, welches das Verkehrsverhalten des Kindes beobachtet und in der akuten Situation auf das richtige Verhalten im Straßenverkehr aufmerksam macht, bei akuten Gefahren in der unmittelbaren Nähe warnt und potentielle Gefahrensituationen durch die Anpassung der Fahrtroute vermeidet.
Das zu entwickelnde Assistenzsystem ist eine Kombination aus Software- und Hardwarekomponenten, bestehend aus Sensoren, Aktuatoren und einer intelligenten Verarbeitung direkt am Fahrrad und am Fahrradhelm des Radfahrers. Es werden Methoden zur intelligenten Umwelt- und Verhaltenserkennung entwickelt, die es ermöglichen, Gefahrensituationen zu erkennen. Multimodale und ambiente Mensch-Technik-Interaktionen werden direkt für das Fahrrad und den Helm entwickelt, um Rad fahrenden Kindern und älteren Menschen ohne Ablenkung vom Verkehr Hinweise zu Routen und Erinnerungen zu bestimmten Handlungstätigkeiten zu vermitteln, sowie vor akuten Gefahren zu warnen. Diese werden im Labor und im Feld mit realen Nutzern evaluiert. Hierbei ergeben sich insbesondere Herausforderungen in der (Gefahren-) Situationserkennung, Verhaltenserkennung, Integration der Technologie am Fahrrad bzw. an der Person, gefahrenadaptive Routenberechnung sowie in der kind- und seniorengerechten Darstellung der Informationen während des Fahrradfahrens unter Kombination mehrere Modalitäten (taktil, akustisch, visuell).
Das Assistenzsystem wird innovative Car2X Technologien, das heißt drahtlose Kommunikation mit Fahrzeugen gemäß aktueller Standards, verwenden, um die Kommunikation mit anderen Verkehrsteilnehmern zu ermöglichen. Auf dieser Basis wird im Projekt eine Warnkomponente entwickelt, die z.B. Auto- und LKW-Fahrer auf fahrradfahrende Kinder in der Nähe aufmerksam macht, bzw. die Schnittstelle zu Car2X bedient, um sich in bestehende Car2X Lösungen zu integrieren. Damit wird gefördert, dass fahrradfahrende Kinder als gleichwertige Verkehrsteilnehmer in ein zukünftiges intelligentes, sozio-technisches Verkehrssystem integriert werden können.
Matviienko, Andrii and Ananthanarayan, Swamy and Borojeni, Shadan Sadeghian and Feld, Yannick and Heuten, Wilko and Boll, Susanne; Proceedings of the 20th International Conference on Human-Computer Interaction with Mobile Devices and Services; 2018
Matviienko, Andrii and Ananthanarayan, Swamy and El Ali, Abdallah and Heuten, Wilko and Boll, Susanne; Proceedings of the 2019 CHI Conference on Human Factors in Computing Systems; 2019
Matviienko, Andrii and Ananthanarayan, Swamy and Brewster, Stephen and Heuten, Wilko and Boll, Susanne; Proceedings of the 18th International Conference on Mobile and Ubiquitous Multimedia; 2019
Matviienko, Andrii and Ananthanarayan, Swamy and Kappes, Raphael and Heuten, Wilko and Boll, Susanne; Proceedings of the 9TH ACM International Symposium on Pervasive Displays; 0June / 2020
Matviienko, Andrii and Heuten, Wilko and Dix, Alan and Boll, Susanne CJ; Adjunct Publication of the 23rd International Conference on Mobile Human-Computer Interaction; 0September / 2021